Dokumente 1/2009
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Filmwelten – Kino zwischen Erfolg und Krise

"Madame Nein“ – auf nur zwei Wörtchen wurde Ende 2008 von einigen französischen Kommentatoren die Position von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der internationalen Finanzkrise reduziert. So stark kann eine Sprache sein: Besser als durch endlose Berichte über Sinn und Unsinn gemeinsamer Initiativen wird durch wenige Begriffe eine ganze Politik beschrieben. Die Bundeskanzlerin befindet sich nun in Gesellschaft eines französischen „Hyper-Präsidenten“ und eines amerikanischen „Turbo-Präsidenten“. Noch kürzer geht es wohl kaum. Im Anfang war das Wort … Schnell kam das Bild hinterher. Erst in jüngster Zeit wurde das Bild zum Foto, bevor es sich zum Film bewegte. In ihrem gemeinsamen Dossier bieten Dokumente und Documents einen Überblick dazu an, wie sich der Film in den letzten Jahren in Deutschland und Frankreich entwickelt hat. Krisen und Erfolge hier, Erfolge und Krisen da – die Bilanz ist jeweils das Abbild einer Momentaufnahme, eines Trends, einer Mode; sie entspricht keinen Gesetzen, höchstens den Regeln des Marktes und den Erwartungen des Publikums. Filme, als bewegte Bilder, spiegeln die Bewegungen der Gesellschaft wider, aber auch die manchmal revolutionären Schritte der Regisseure auf der Suche nach neuen Wegen. Besonders interessant sind dabei die Bemühungen um Globalisierung, sicherlich aus kommerziellen Gründen, aber auch aus dem kulturellen Ideal heraus, man könne im Ausland durch Filmproduktionen das Verständnis für eigene Geschichte und Geschichten steigern. Dass es nicht immer so klappt, wie sich es Filmproduzenten wünschen, hat aber weniger mit Bildern als mit Wörtern zu tun. Filme im Kino und im Fernsehen, im Internet und auf dem iPod, Kurz- und Spielfilme, Dokumentar- und Reportagefilme gehören mittlerweile zum Alltag; Worte und Wörter hingegen erleben eine dramatische Entwicklung, besonders bei Jugendlichen – nicht zuletzt aufgrund von SMS und Chatrooms. Während die deutsche Sprache in französischen Schulen und die französische in deutschen zu Gunsten des Englischen nur noch als exotische Fächer betrachtet werden, entstehen Wortschöpfungen, die die tagtägliche Kommunikation zwischen jungen Franzosen und Deutschen nicht gerade vereinfachen. Wenn Wörter nicht mehr gesprochen und geschrieben, nicht mehr gehört und gelesen werden, besteht die Gefahr, dass nur noch Bilder herangezogen werden, um die Welt zu erklären. Klischees also, wie diejenigen, mit denen man in den deutsch-französischen Beziehungen leider noch so oft konfrontiert wird. Die Vorstellung, man könnte diese neuen Defizite mit erfolgreichen Kinoproduktionen über die Stasi und die Ch’tis, über Baader und Mesrine, über Integration und Widerstand kompensieren, ist grausam. Nun hängen in den Straßen beider Länder riesengroße Plakate, um für einen Film über Claus Schenk Graf von Stauffenberg zu werben. Operation Walküre erhitzt die Gemüter – in Deutschland, weil der Graf vom amerikanischen Scientologen Tom Cruise gespielt wird; in Frankreich, weil der Film über die Vorgeschichte der späten Hitler-Gegner und über ihre ideologische Wendung nichts verrät. Wer positiv denkt, wird aber begrüßen, dass dieses Kinoereignis durch das Erscheinen von unzähligen Büchern (auch und vor allem in Frankreich) über den deutschen Widerstand im Dritten Reich begleitet wird. Das Thema wurde sehr lange verdrängt. Nicht nur Kinobilder sorgen endlich für eine umfangreiche Vergangenheitsbewältigung. Auch Wörter haben hierbei … ein Wörtchen mitzureden.

Gérard Foussier

Chronologie/Chronologie
 
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Inhalt/Sommaire
 
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Thema/Thématique
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Gérard Foussier
Editorial
Editorial 
 
Meinung
Thomas Siemes
Zurück in Europa
Frankreichs EU-Ratspräsidentschaft
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Politik / Wirtschaft
Dorothea Bohnekamp
Deutsch-französischer Dissens
Die EU sucht Wege aus der Wirtschafts- und Finanzkrise
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Daniel Göler / Birte Ellerbrock
Abkehr vom Gaullismus?
Frankreich will zurück in die NATO
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Ortwin Ziemer
Wie viele Gedenktage für die Nation?
Die Vorschläge der Kaspi-Kommission sorgen für Polemik
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Suzanne Krause
"Öko-Ayatollah" gegen Autofahrer
Grüne Maßnahmen gegen das Verkehrschaos in Paris
 
 
Dossier: Filmwelten – Kino zwischen Erfolg und Krise
Michael Friederici
Die fetten Jahre kommen noch
Das Kino in der digitalen Welt
Die fetten Jahre kommen noch 
Pierre Gras
Blütezeiten und Winterschlaf
Deutsche und französische Filmgeschichte seit 1990
Blütezeiten und Winterschlaf 
Pierre Gras
Koproduktionen und Mini-Verträge
Deutsch-französische Filmförderung
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Eva John
Machen wir es kurz!
Die Kurzfilmlandschaft in Deutschland und Frankreich
Machen wir es kurz! 
Michael Friederici
Blick zurück nach vorn
25 Jahre Französische Filmtage Tübingen
Blick zurück nach vorn 
Romy Straßenburg
Filmische Deutschstunde
Das 13. Pariser "Festival du Cinéma allemand"
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Pierre Gras
Sylvie Testud
Eine deutsch-französische Karriere
Sylvie Testud 
Romy Straßenburg
Auf dem Weg in die Traumfabrik
Die Filmhochschule "La fémis" in Paris
Auf dem Weg in die Traumfabrik 
Gérard Foussier
Bild und Ton
Die Tücken der Filmadaptionen im Nachbarland
Bild und Ton 
Martina Zimmermann
Zwischen Kunst und Komödie
Zwei Ferienfilme im Vergleich
Zwischen Kunst und Komödie 
 
Stichwort
Gérard Foussier
Piraterie
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Gesellschaft
Ursula Lange
Plädoyer für das AbiBac
Eine Bilanz der Jahrestagung in Berlin
Plädoyer für das AbiBac 
Virginie Vendamme
Teamarbeit für die Sicherheit
Das Deutsch-Französische Forschungsinstitut Saint-Louis
Teamarbeit für die Sicherheit 
Ansbert Baumann
Zwischen Pfalz und Elsass
Der lange Streit um den Grenzverlauf des Mundatwaldes
Zwischen Pfalz und Elsass 
 
Personalia
Personalia 
 
Kultur
Siegfried Forster
Kultur-Spektrum
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Silke Stammer
Kultur-Vorschau: Frankreich in Deutschland
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Medard Ritzenhofen
Damenwahl im Herrenclub
Simone Veil als sechste Frau in der Académie française
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Cornelia Frenkel
„ZERO lebt“
Europäische Avantgarde in der Kunsthalle Weishaupt
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Gernot U. Gabel
Schönster Rokoko-Saal Deutschlands
Münchens Cuvilliés-Theater in neuem Glanz
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Andererseits
Sébastien Vannier
Un feuilleton historique
La reconstruction du château de Berlin
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Rezensionen
Rezensionen 
Doris Ruhe
Ingrid Galster, Beauvoir dans tous ses états
Dietmar Hüser
Jens Ivo Engels, Kleine Geschichte der Dritten französischen Republik 1870–1940
Jérôme Pascal
François de Beaulieu, Mon père, Hitler et moi
Christian Salm
Maximilian Müller-Härlin, Nation und Europa in den Parlamentsdebatten zur Europäischen Integration
Horst Schmidt
Stefanie Müller, Ernst Robert Curtius als journalistischer Autor (1918–1932)
 
Chronologie
DGAP / Katrin Sold
November / Dezember 2008
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