Ville Lumière, Années Noires

Les lieux du Paris de la collaboration, préface de Pierre Assouline

Autor/Hrsg Auteur/Editeur: Desprairies, Cécile
2008, Edition Denoël, Paris 2008, ISBN10: 2207259250

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Dieses Buch wurde rezensiert in der Ausgabe: Dokumente/Documents 1/2010 

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Rezension / Compte rendu:
Glanzvolle Stadt in dunkler Zeit

Straßennamen und Gebäude haben sich wenig verändert, seit die deutschen Besatzer am 25. August 1944 aus Paris wieder verjagt wurden. Im Juni 1940 hatten sie sich zielstrebig niedergelassen, rund 40 000 Gebäude, vor allem Wohnungen und Hotels, beschlagnahmt. Für die damalige Bevölkerung war ihre Präsenz oft unsichtbar. Und bis zur aktuellen Stunde erinnert kaum eine Gedenktafel an jene Schauplätze, die zwischen dem 14. Juni 1940 und dem 25. August 1944 von den Besatzern und ihren Kollaborateuren genutzt wurden.
Für den heutigen Paris-Besucher liegt mit dem kürzlich erschienenen Buch von Cécile Desprairies ein ungewöhnlicher Stadtführer vor; er enthält Informationen zu 140 Gebäuden, die Stützpunkte der deutschen Besatzer und ihrer französischen Helfer waren. Die Autorin hat ihre gründlichen Recherchen in deutschen und französischen Archiven in eine ansprechende Form gebracht. Geordnet nach den zwanzig Pariser Stadtbezirken werden die jeweiligen Gebäude mit Fotografie (aus der damaligen Zeit) und Adresse vorgestellt. Sodann wird die Nutzung jedes Gebäudes vor, während und nach der Besatzung prägnant beschrieben. Oftmals sind Zitate angeführt, die den Ort betreffen, beispielsweise von Jean Cocteau und von Ernst Jünger (aus den Tagebüchern). Ein beeindruckendes Quellenmaterial.
Manche Dienststellen der Besatzer sind einem schon begegnet, etwa das Amt für Judenfragen (21 rue la Boétie), der Sitz der Gestapo (11 rue des Saussaies) oder das Büro der Propagandastaffel (52 Avenue des Champs-Elysées). Insbesondere hat man vom Gefängnis "Cherche Midi" gehört und vom strapazierten "Hôtel Lutetia" (VI. Bezirk - 45 Boulevard Raspail): Zwischen 1933 und 1939 fand hier das "andere Deutschland" Exil, etwa Heinrich Mann, Klaus Mann und Willi Münzenberg. Dort plante man eine Volksfront gegen den Faschismus und hoffte, den europäischen Geist zu retten. Anschließend bezog Hitlers Spionage-Chef Canaris dort Residenz. Nach Kriegsende trafen dann Überlebende der Konzentrationslager ein. Um Paris ab Juni 1940 zu okkupieren, hatte die deutsche Botschaft in Paris ein Informationsbüro finanziert. Mittels Plänen des Katasteramtes wählte man große Gebäude, möglichst in Ecklage mit mehreren Zugängen. Die Besatzer breiteten sich überall aus, aus strategischen Gründen ließen sie aber Beschlagnahmungen durch französische Behörden unterschreiben. Nüchtern informiert das Buch über diese Abläufe.
Im Vorwort vermerkt der Journalist Pierre Assouline, Cécile Desprairies Recherche lasse an die Romane von Patrick Modiano denken. In diesen spielen Orte des besetzten Paris eine bedeutende Rolle, die Stadt aber bleibt unbestimmter Raum, den merkwürdige Charaktere bevölkern. Die tatsächliche Spurensicherung leistet nun endlich dieses Buch, womit dankenswerterweise über 60 Jahre nach Kriegsende eine Wissenslücke geschlossen wird.
Cornelia Frenkel


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