Heldenangst

Autor/Hrsg Auteur/Editeur: Chevallier, Gabriel
2010, Nagel & Kimche im Carl Hanser Verlag, München 2010, ISBN10: 3312004411

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Dieses Buch wurde rezensiert in der Ausgabe: Dokumente/Documents 2/2010 

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Rezension / Compte rendu:
Ein literarisches Denkmal

Für die Franzosen war der Erste Weltkrieg "La grande guerre" - der Große Krieg. In der Tat haben sich die sinnlosen Kämpfe vor allem bei Verdun, an der Somme und am "Chemin des Dames" so tief in das Bewusstsein nicht nur der älteren Generation eingegraben, dass noch heute diese gigantische Menschenschlächterei in der Literatur und in den Schulen Frankreichs eine gewichtige Rolle spielt.
In Deutschland hingegen wurde die Erinnerung an den Krieg von 1914/18 sehr rasch zugedeckt durch die historische Beschäftigung mit den monströsen Verbrechen des Zweiten Weltkriegs. Freilich gab es in der Literatur beider Länder auch eine gewisse Parallelität. Sie betraf in der "Entre-deux-guerres"-Periode das Gefühl für einen absoluten Pazifismus. In Deutschland erschienen "Im Westen nichts Neues" von Erich Maria Remarque und "Krieg" von Ludwig Renn, aber auch schon zwei Jahre nach dem offiziellen Kriegsende Ernst Jüngers "Stahlgewitter". Kurt Tucholsky sprach mit Blick auf die nach Jünger aufblühende kriegsverherrlichende Literatur der dreißiger Jahre von "Leichenreden".
Der 1930 erstmals erschienene Roman "La Peur" von Gabriel Chevallier (1895-1964), der jetzt erstmals in Deutschland in der ebenso eleganten wie stilsicheren Übertragung von Stefan Glock unter dem Titel "Heldenangst" vorliegt, ist eine "Leichenrede" sui generis. Gabriel Chevallier, der Mitte der 1930er-Jahre mit dem später auch verfilmten Provinzroman "Clochemerle" international bekannt wurde, hatte als Infanterist vier Jahre lang vor allem an der Front am "Chemin des Dames", etwa anderthalb Autostunden nordöstlich von Paris zwischen Soissons und Reims, gekämpft. Für Deutsche wie Franzosen ging es beim Kampf um diesen Höhenrücken südlich von Laon zwischen den beiden Flüsschen Aisne und Ailebe nicht so sehr um strategischen Gewinn als vielmehr, vor allem in den letzten Kriegsjahren, ums Prinzip. 1917 scheiterte hier die französische Offensive von einer Million Mann an der zähen Verteidigung der Deutschen, die sich in Schützengräben und Bunkeranlagen regelrecht eingeigelt hatten. Von hier aus unternahmen sie dann auch ihren letzten Durchbruch im Frühjahr 1918. Wie schlimm es um die Moral der französischen Truppen stand, geht auch aus der Tatsache hervor, dass es nach dem Scheitern der Offensive wenige Wochen später zu massenhaften Befehlsverweigerungen kam. Hunderttausende waren bereits auf beiden Seiten in diesem sinnlosen Menschenschlachten gefallen. Ihnen hat Gabriel Chevallier mit seinem Roman über die Erlebnisse des jungen Studenten Jean Dartemont ein außerordentliches literarisches Denkmal gesetzt. Selten hat ein Autor in dieser schrecklichen Eindeutigkeit Sprache dazu genutzt, um die Todesangst und gleichzeitig blinde Ergebenheit in das Schicksal dieser Menschenopfer zu beschreiben. Wenn es um das gegenseitige Abschlachten im Schützengraben, beim Sturmangriff und anschließenden Kampf Mann gegen Mann mit Bajonett und Handgranate geht, hält sich der Ich-Erzähler Dartemont ausschließlich an das, was er unmittelbar sieht und am eigenen Leib erlebt. Da ist nichts mehr von irgendwelchem Heldentum, da gibt es keinen Platz für Jüngers kühle Betrachtung vom "Kampf als innerem Erlebnis". Hier an der Front regiert das unerbittliche Regime einer bornierten Armeeführung, die den einzelnen Soldaten nur als Material begreift. Hier geht eine tödliche Angst um vor jeder neuen Ungewissheit, die dem Angriff des Gegners vorausgeht. Es gibt aber für den einzelnen keine Alternative zu diesem nicht enden wollenden Schrecken. Vor sich den Feind, hinter sich den General - daraus kann sich niemand befreien. Und dennoch sträubt sich in dem jungen Infanteristen alles gegen die allseits regierende Willkür. Chevalliers Protagonist wehrt sich mit Ironie, auch mit kluger Analyse. Nur ein paar Wochen Erholung sind ihm gegönnt, ausgelöst durch eine schwere Verwundung, die er hinter der Front im Lazarett ausheilt. Aber auch dort im Gespräch mit den Krankenschwestern stößt Dartemont auf Unkenntnis. Auch sein Vater versteht ihn nicht, verlangt vielmehr, dass der Sohn alles daransetzt, um befördert zu werden.
Dieser entsetzliche Glauben an die "Gloire" militärischer Leistung, der im Ersten Weltkrieg auf beiden Seiten die Gabe zum rationalen Denken außer Kraft gesetzt hat, ist der eigentliche Gegner in jedem Krieg. Deswegen ließen die französischen Behörden, als ein neuer Waffengang mit Deutschland vor der Tür stand, Chevalliers Roman aus dem Verkehr ziehen.
Dass er in Frankreich mit großem Erfolg neu aufgelegt worden ist und auch den Weg nach Deutschland gefunden hat, ist ein Gewinn in jeder Hinsicht. Wer den Schrecken eines Krieges aus eigenem Erleben nicht kennt, sollte diesen großartigen Roman unbedingt lesen.
Wolf Scheller

« J'ai eu peur »
Mobilisé en 1914 à l'âge de 19 ans, l'auteur lyonnais est resté simple soldat pendant toute la Première Guerre mondiale. C'est en 1925 qu'il commence à écrire, notamment pour faire connaître les quatre années de boucherie sur le Chemin des Dames de 1914 à 1918. Gabriel Chevallier est plus connu en France comme l'auteur de « Clochemerle », un roman satirique sur la vie d'un petit village (purement inventé) du Beaujolais. Le livre a été tiré depuis 1930 à plusieurs millions d'exemplaires, publié dans 26 langues et a fait l'objet de plusieurs adaptations au cinéma et à la télévision.
Moins connu du grand public, son roman historique autobiographique, « La peur », écrit en 1930, dénonce la guerre des tranchées et appelle à la rébellion. Ce pamphlet qui se dresse contre toutes formes de guerre décrit la peur du soldat. L'auteur et l'éditeur ont accepté en 1939 de suspendre la vente de l'ouvrage, alors que s'annonçait une nouvelle guerre mondiale. Le roman a été réédité en 1951 avec une présentation actualisée de l'auteur, dénonçant l'immensité du mal causé par la guerre que ne saurait racheter      « la petite, l'exceptionnelle proportion d'héroïsme ».
Alors que les ouvrages critiques parlaient plutôt de la peur des autres, le roman de Gabriel Chevallier évoquait sa propre peur, vocable que les soldats ne devaient pas prononcer. En 2008 « La Peur » a été réédité pour la première fois en France depuis 1951, aux éditions « Le Dilettante ». Il est vrai qu'une première réédition en 2002 n'avait pu être possible à la suite d'un incendie qui avait détruit tous les exemplaires. Le livre vient d'être traduit en allemand sous le titre « Heldenangst (Peur de héros) ».
Réd.

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