Blutschweiß

Autor/Hrsg Auteur/Editeur: Bloy, Léon
2010, Matthes & Seitz, Berlin 2011, ISBN10: 3882218371

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Dieses Buch wurde rezensiert in der Ausgabe: Dokumente/Documents 3/2011 

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Rezension / Compte rendu:
Anekdoten der Barbarei

L'ouvrage de Léon Bloy, Sueur de sang, écrit en 1893, traduit pour la première fois en allemand.

Zum ersten Mal auf Deutsch liegt das 1893 entstandene Werk Blutschweiß (Sueur de sang) von Léon Bloy (1846–1917) vor. Der Titel leitet sich von einer dem Text vorgestellten Präambel her, in der Bloy u. a. den gravitätischen Satz fallen lässt "wenn Frankreich leidet, dann ist es Gott, der leidet, indem er Blut schwitzt." Man hat es im Folgenden zu tun mit dreißig Erzählungen, zumeist in Anekdotenform, in denen singuläre Vorfälle des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 plausibel vorgetragen werden. Selbst wenn sie größtenteils erfunden sein mögen, schmälert das ihre Aussagekraft in den oftmals apokalyptisch aufgeworfenen Szenarien in keiner Weise. Bloy, das wird rasch klar, kommt hier sein Faible für Originalität, Eindringlichkeit und besondere Volten erzählerisch zugute. Er zeigt uns Gestalten, die den Rahmen üblicher Soldateska sprengen, krude Söldner, abgefeimte Offiziere, "schräge Vögel", denen der Krieg eine Vorlage bietet, ihre Grillen oder ihren vormals unterdrückten Wahnsinn auszuleben – und dies übrigens auf französischer wie auf deutscher Seite. Da wäre z. B. jener "gueule de bois", der "ununterbrochen Preußen zermalmte und nur ein Wort wiederholte: ‚Schweine! Schweine! – dieses eine Wort, das aus ihm hervorzuquellen schien wie kotige Brühe aus einem Kanal." Womit Bloys Stil bereits ein wenig umschrieben wäre: seine Geschichten erscheinen oftmals als sehr derbe, vor den Ausdünstungen, dem Gemetzel, dem allgemeinen Blutrausch sollte man sich also nicht abschrecken lassen. Er verschont uns nicht mit markigen, grausamen Bildern, etwa in jener Szene, wo Tausende von Männern, die knietief im Schlamm stecken, aus dem sie nicht herauskommen und in dem sich nirgends hinlegen können, "stehend agonisieren" müssen. Bloy geißelt diesen Krieg als eine riesige "Energieverschwendung" und als "bewundernswerten Pfusch", aber ein bloßes Antikriegsprogramm wäre nur wohlfeil bei diesem zornigen Mann. Alexander Pschera, der diese mitunter sperrigen Geschichten wunderbar ins Deutsche übersetzt und zudem sehr kluge Anmerkungen und einen lesenswerten Essay beigesteuert hat, macht in letzterem klar, dass Krieg für Léon Bloy auch "ein sich in vielfachen Zeichen und Chiffren verkleidendes mystisches Geschehen" ist. Der Krieg sei ihm "ein Wehen des Heiligen Geistes" gewesen. Womit auf Bloys autobiographischen Hintergrund, seine Religiosität und seine antipositivistischen Positionen, die im Strom des sogenannten "Renouveau catholique" hervortreten, angespielt ist. Léon Bloy war stark durch Barbey d’Aurevilly, für den er auch als Sekretär arbeitete, beeinflusst. Bloys Spiritualität und sein Weg zum Katholizismus läuft über ihn, der die Macht des Bösen als eine konkrete, reale Macht in der Welt erachtete. Er kommt übrigens selbst in einer der Geschichten vor, in Barbey d’Aurevilly als preussischer Spion – der Titel ist freilich ironisch gemeint – malt er ein ebenso originelles wie unterhaltsames Porträt dieses Dandys zur Zeit der Belagerung von Paris, 1870.
Thomas Laux

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