Ein Sonntag auf dem Lande

Autor/Hrsg Auteur/Editeur: Bost, Pierre
2013, Dörlemann, Zürich , ISBN10: 3908777852

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Dieses Buch wurde rezensiert in der Ausgabe: Dokumente/Documents 2/2013 

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Rezension / Compte rendu:
Genie und Wahnsinn
Literarische Neuerscheinungen aus Frankreich

Literarischer Erfolg in Frankreich bedeutet nicht unbedingt literarischer Erfolg in Deutschland und umgekehrt. Dennoch haben deutsche Verlage in den letzten Monaten eine Vielzahl mit Bedacht gewählter französischer Bestseller in Deutschland herausgegeben, wissend, dass deutsche Leserinnen und Leser stets Interesse für moderne französische Literatur haben.

Le roman français en Allemagne
Les éditeurs allemands ont publié ces derniers mois de nombreux romans français en traduction allemande. Beaucoup d’oeuvres à succès restent encore non traduites. Certains auteurs, qui ont connu un réel succès en France, ne sont pas encore dans les listes de best-sellers en Allemagne, mais le choix des éditeurs traduit bien l’intérêt que portent les lecteurs allemands à la littérature moderne française.
Réd.

Viele Deutsche dürften die soeben erschienenen Bücher von Pierre Bost und Julien Gracq vor allem als posthume Werke wahrnehmen: Pierre Bost ist bereits 1975 gestorben, Julien Gracq 2007. Und ihre Werke, die jetzt ins Deutsche übersetzt wurden, beschreiben wie Jean Echenoz und Emmanuel Carrère Situationen aus der Vergangenheit. Marie Darrieussecq ist die berühmte Ausnahme, die die Regel bestätigt: Ihr (umstrittener, zumindest viel diskutierter) Roman über Sexualität hat sie zwar 2011 geschrieben, es geht aber um eine Situation aus den 1980er-Jahren.

Pierre Bost, Ein Sonntag auf dem Lande (Originaltitel: Monsieur Ladmiral va bientôt mourir). Aus dem Französischen übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Rainer Moritz. Dörlemann, Zürich, 2013, 158 Seiten.

Ein Roman wie ein Bild von Renoir: Pierre Bosts kleiner Roman Ein Sonntag auf dem Lande erzählt die Geschichte eines alternden Malers, der allsonntäglich seine Familie empfängt, in einem bunten, bukolischen Sommerambiente unweit von Paris, in einer pittoresk verschlossenen Welt kurz vor dem Ersten Weltkrieg mit ihren, so scheint es, recht überschaubaren Problemen. Doch die Harmonie trügt. Monsieur Ladmiral erwartet seinen Sohn Gonzagues inklusive Schwiegertochter und Enkelkinder, doch rasch spürt man nach deren Eintreffen die schwelenden Vorbehalte, unvereinbare Gegensätze, die sich hinter einer Anhäufung höflich kaschierter Verkrampftheiten verstecken. Es zeigt sich ein Generationskonflikt en miniature, lange zurückliegende Dinge bestimmen in Wahrheit den Basso continuo, etwas Unausgesprochenes über die Jahre, auch Enttäuschungen in Bezug auf das eigene Leben, die Monsieur Ladmiral mitunter durch kleine ironische Seitenhiebe gegen das spießige Gewordensein seines eigenen Sohnes zu konterkarieren sucht. Pierre Bost (1901–1975), der in den 1920er- und -30er-Jahren mit einer Reihe bemerkenswerter, auch preisgekrönter Romane hervortrat, schrieb diesen, seinen letzten, kleinen Roman 1945, bevor er sich ganz dem Verfassen von Drehbüchern zuwandte. Es ist eine zauberhafte, höchst elegant verfasste Studie über die subtilen Formen von Entfremdung und fehlgeleiteter Kommunikation. 1984 verfilmte Bertrand Tavernier diese lange vergessene Perle unter dem Titel Un dimanche à la campagne, an den sich nunmehr auch die von Rainer Moritz sehr stimmungsvoll übersetzte deutsche Version gehalten hat.
Thomas Laux

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Ein Sonntag auf dem Lande