Les intellectuels et l'Occupation, 1940-1944

Collaborer, partir, résister

Autor/Hrsg Auteur/Editeur: Betz, Albrecht; Martens, Stefan (Hg.)
2004, Éditions Autrement, ISBN10: 2746705400

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Dieses Buch wurde rezensiert in der Ausgabe: Dokumente 2/2005 

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Rezension / Compte rendu:
Intellektuelle unter deutscher Besatzung

Als "divine surprise" begrüßte Charles Maurras Anfang 1941 Pétains plötzlichen Aufstieg zum Staatschef. Ein halbes Jahr zuvor hatte das autoritäre Vichy-Regime die verhasste Dritte Republik abgelöst. Damit war der "Action Française"-Mitbegründer seinen neomonarchistischen, antisemitischen und antidemokratischen Zielen ein gutes Stück näher gekommen. Jenes Geschenk des Himmels verdankte Maurras freilich den Deutschen, gegenüber denen er eine tiefe Abneigung empfand. In derselben oder einer ähnlichen Situation befanden sich viele französische Intellektuelle nach dem Debakel von 1940: Frankreich war besiegt worden, aber sie gingen aus der Niederlage mit ihren Ideen als Sieger hervor. Davon und von mehr oder weniger subtilen Affinitäten zwischen Geist und Macht handelt der aus einer Pariser Tagung hervorgegangene Sammelband.
Er ist in drei Teile gegliedert. Im ersten werden einige Vertreter der geistigen Elite vorgestellt. Der zweite spürt den oft komplexen Einstellungen zwischen nuancierter Zustimmung zur neuen Ordnung, Widerstand und Exil nach. Der dritte schließlich thematisiert Werte und Ausbildung der Intellektuellen während der deutschen Besatzung.
Tagungsbände sind selten aus einem Guss. Diese Regel wird hier bestätigt. Sieht man aber über einige Ungereimtheiten hinweg - so handelt ein Beitrag von den Intellektuellen im faschistischen Italien -, ergeben sich interessante Einblicke in französische Zustände während des Krieges, die die Forschung voranbringen können.
Ein eindrucksvolles Beispiel solcher innovativen Ansätze liefert Hans Manfred Bock (Kassel) mit seinem Artikel über André François-Poncet. Der französische Botschafter in Berlin von 1931 bis 1938 hatte sich vor allem mit seinen scharfsinnigen Analysen der deutschen Politik während der Agonie der Weimarer Republik und der ersten Jahre der Diktatur einen Namen gemacht. 1949 wurde er Hoher Kommissar und beaufsichtigte vom Petersberg aus die ersten Schritte der jungen Bundesrepublik auf der anderen Rheinseite im gegenüber gelegenen Bonn. Weniger bekannt ist sein zeitweiliger Flirt mit der in Vichy proklamierten "Révolution nationale" und sein späteres Bemühen um Integration dieser dunklen Phase französischer Zeitgeschichte in eine nationale Erinnerungskultur, die den Eindruck zu vermitteln suchte, Pétain und de Gaulle hätten mit verteilten Rollen dasselbe Ziel angestrebt. François-Poncet gehörte nach Bock gewiss nicht zu den bedingungslosen Anhängern des greisen Marschalls, aber dieser Vertreter eines liberalen Konservativismus könne als Beispiel dafür gelten, wie und aus welchen Gründen der wahre Charakter Vichys in der unmittelbaren Nachkriegszeit verdrängt worden sei.
Nicht weniger Beachtung verdienen die Artikel von Gisèle Sapiro (Paris) über die literarische Kollaboration, von Ingrid Galster (Paderborn) über Jean-Paul Sartre unter der Frage "Résistance intellectuelle et soutien passif de Vichy?", von Jean-Yves Mollier (Versailles) über Verlagswesen und Publikationsverfahren oder von Peter Schöttler (Berlin / Paris) über die Zeitschrift "Annales". Sie alle machen deutlich, dass dieses vielfach diskutierte Arbeitsfeld immer noch nicht ausgeschöpft ist, ja dass das Thema mit steigender Tendenz eine neue Aktualität gewinnt. Zweifellos erleichtert der zunehmende zeitliche Abstand Fragestellungen, die lange nicht in die vorherrschenden gesellschaftlichen Einstellungen passten.
Dieter Tiemann

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