Jeudi saint

Autor/Hrsg Auteur/Editeur: Borzeix, Jean-Marie
2008, Stock, ISBN10: 2234061601

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Dieses Buch wurde rezensiert in der Ausgabe: Dokumente 5-6/2009  

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Ce livre a fait l'objet d'un compte rendu de lecture dans le numéro : Dokumente 5-6/2009  

Rezension / Compte rendu:
Jagd auf die Amnesie

Am 6. April 1944, einem Gründonnerstag in L'Echameil, einem kleinen Dorf der Haute Corrèze in der Nähe von Bugeat, werden vier alte Bauern von der deutschen Wehrmacht als Geiseln genommen und schließlich erschossen. Sie hatten sich geweigert, die "Maquisards" zu denunzieren, unter denen sich zum Teil ihre eigenen Kinder befanden. Eine für die damalige Zeit im Großen und Ganzen banale Geschichte, da viele andere Städte oder Dörfer vergleichbare Ereignisse erlebt haben, insbesondere im Limousin, einem Widerstandsgebiet, wo wenige Monate später mit dem Massaker von Oradour-sur-Glane der Gipfel der Barbarei erreicht wurde.
So könnte man sich fragen, warum dieser Geschichte so viel Bedeutung beizumessen ist … Schlicht deshalb, weil der Autor Jean-Marie Borzeix selbst aus diesem Dorf stammt und mehr in Erfahrung bringen wollte - über das Wer, das Wie und das Weshalb: "Es geht nicht darum, die Arbeit eines Historikers zu leisten, sondern ganz einfach darum, die Geschichte eines winzigen Fleckchens Erde im letzten Krieg zu erhellen."
Sein Bericht beruht auf Zeugnissen, die von der Bevölkerung vermittelt wurden - so lange eben die letzten Zeitzeugen noch leben und sich erinnern können. Es war kein leichtes Unterfangen, denn "das Gedächtnis löscht ebenso viel wie es behält". Als einem der ihren öffnet man ihm dennoch die Türen. Er fragt nach, erweckt Erinnerungen zum Leben, und seine Untersuchung geht voran; er findet Namen wieder, lässt Schicksale noch einmal ablaufen.
Seine "Jagd auf die Amnesie wie auf die damalige Gedankenwelt" wird durch Forschungen in den Archiven des Départements vervollständigt. Somit entsteht auf der einen Seite ein Buch, das weder ein Roman, noch ein Geschichtsbuch ist, dafür aber mit Methoden einer historischen und journalistischen Untersuchung arbeitet und gleichzeitig das Gedenken infrage stellt. Während diese vier Opfer in den Köpfen der Menschen nach wie vor präsent sind und jedes Jahr gewürdigt werden, sollte Jean-Marie Borzeix eine andere, allenthalben vergessene Persönlichkeit neu entdecken: Chaïm Rozent, einen ungefähr 30 Jahre alten Juden, der damals beim Dorffriseur arbeitete. Auch er sollte einen Tag später von SS-Leuten erschossen werden, da er sich unter Folter geweigert hatte, den "Maquis" der Umgebung zu denunzieren.
Auf seinem Grab ganz hinten auf dem Friedhof von L'Eglise-aux-Bois steht eine Telefonnummer in Haifa, die seine drei einst am Grab versammelten Kinder hinterlassen hatten, in der Hoffnung, auf diese Weise etwas über ihren Vater zu erfahren. Also beginnt eine andere Nachforschung, die den Autor nach Belgien und Polen führen sollte, später auch nach Israel und Paris. Hier nun zeigt sich die andere Seite dieses Berichtes, der nunmehr die Entdeckungen über Chaïm und das Wiedersehen mit seiner Familie beschreibt. Auf diese Weise lässt er dem Juden aus der Corrèze eine späte Würdigung zuteil werden, und mit ihm all denen, die nicht deportiert wurden und der "Résistance" angehörten.
Die Lokalgeschichte aus diesem Dorf im Limousin "erhebt nicht den Anspruch, mit der Geschichte Tausender von polnischen, ukrainischen, russischen, serbischen, griechischen, italienischen oder deutschen Dörfern rivalisieren zu können, die mehrere Hunderttausend, ja Millionen Opfer während desselben Krieges nach sich gezogen hat. Sie ist anders und doch ähnlich, gewöhnlich und einzigartig." Und in diesem Sinne trägt sie einen weiteren Baustein zum Geschichtsgebäude dieser Epoche bei.
Das in einem klaren und nüchternen Stil verfasste Buch liest sich "unterhaltsam" wie ein spannender Roman und vermittelt gleichzeitig eine sehr eindringliche und anrührende menschliche Botschaft.
Françoise Potier, Übersetzung: Dr. Nicola Denis

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