Quai d'Orsay 37

Erinnerungen und Betrachtungen für heute und morgen

Autor/Hrsg Auteur/Editeur: François-Poncet, Jean
2010, Bouvier, Bonn 2010, ISBN10: 3416032926

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Dieses Buch wurde rezensiert in der Ausgabe: Dokumente/Documents 1/2011 

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Ce livre a fait l'objet d'un compte rendu de lecture dans le numéro : Dokumente/Documents 1/2011 

Rezension / Compte rendu:
Ein Diplomat erinnert sich

Er gehört zu den prominentesten Politikern Frankreichs: Jean François-Poncet, Jahrgang 1928, Sohn des früheren französischen Botschafters im Nazi-Deutschland, war u. a. selber Botschafter, Staatssekretär und Außenminister, Präsident des Rates der Europäischen Union, Senatspräsident und Präsident der französischen Europabewegung. 2008 hat er seine "Erinnerungen und Beobachtungen für heute und morgen" verfasst - die Bilanz einer langen, bewegten Laufbahn als Politiker, Diplomat und Unternehmer. Der Titel verrät die eigentliche Absicht: Quai d'Orsay 37, der Sitz des französischen Außenministeriums, ist vor allem ein Buch über die Diplomatie Frankreichs, aus dem subjektiven Blickwinkel einer persönlichen Erfahrung. Viele Beschreibungen informieren über die Hintergründe mancher Episoden der französischen Politik, über das deutsch-französische Verhältnis, über den Aufbau Europas, allerdings bleibt vieles völlig unerwähnt, wie die Affäre um die Bokassa-Diamanten, die 1981 zur Wahlniederlage des amtierenden Staatspräsidenten Valéry Giscard d'Estaing beigetragen hat.
Immer wieder singt der Autor das hohe Lied seiner Partei (UDF um Giscard d'Estaing) und seiner Parteifreunde und liefert, sozusagen nebenbei, deutliche Seitenhiebe auf die Gaullisten, insbesondere auf den heutigen Staatspräsidenten Sarkozy: "Nehmen Sie es hin, Herr Präsident der Republik, dass die Epoche, in der Deutschland bereit war, Frankreich die Rampe zu überlassen, vorbei ist". Die Rampe? Wahrscheinlich meinte Jean François-Poncet eher das Rampenlicht. Viele Druck- und Übersetzungsfehler (zumindest Ungenauigkeiten und schwerfällige Formulierungen) der deutschen Ausgabe erschweren die Lektüre der Memoiren dieses wichtigen Zeitzeugen, der sonst für seine elegante und gepflegte Sprache bekannt ist. Ein Diplomat halt.
Der deutsche Leser verirrt sich in dem Kreis aller Freunde und enger Mitarbeiter des Diplomaten, die in seinen Memoiren Erwähnung finden. Alles "hervorragende", "kompetente", "bemerkenswerte" und "brillante" Persönlichkeiten, die zum größten Teil in Deutschland weitgehend unbekannt geblieben sind. Aber auch humorvolle Passagen ergänzen seine innen- und außenpolitischen Ansichten, zum Beispiel als fünfjähriges Kind in Berlin, wie er zur Weihnachtszeit mit anderen Diplomatenkindern von Göring eingeladen wurde, die Märklin-Eisenbahnanlage des damaligen Reichstagspräsidenten und späteren NS-Ministers zu bewundern - "auf den angenehm gepolsterten Knien des Hausherrn", weil er damals noch zu klein war, um damit selber spielen zu dürfen. Oder wie er als junger Beamter des Quai d'Orsay den von Flugangst geplagten afrikanischen Ministerpräsidenten Félix Houphouët-Boigny von Paris nach Brüssel begleitete: "Ich sah, wie der dunkelhäutige Minister buchstäblich erbleichte." Auch in der Beschreibung seines früheren Vorgesetzten Maurice Faure, Staatssekretär im Außenministerium, verlässt er nicht die Gepflogenheiten der diplomatischen Sprache: "Er war nicht vom Ehrgeiz zerfressen oder, anders gesagt, er dachte nicht daran, um der Karriere willen den Freuden des Lebens zu entsagen, nicht zuletzt den Erfolgen beim schönen Geschlecht."
Faure ist heute der älteste unter den noch lebenden ehemaligen Ministern.
Jérôme Pascal

Quai d'Orsay 37
Les mémoires de Jean François-Poncet, ancien ministre des Affaires étrangères, parues en 2008, ont été traduites en allemand. L'auteur revient sur les grandes dates de son histoire personnelle (et pas seulement au Quai d'Orsay, comme le suggère abusivement le titre de son livre), qui sont aussi celle de l'histoire de France et de l'Europe.
Réd.

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Quai d'Orsay 37